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preise gestattete. Diesen Gedanken brachte die kanonistische Lehre in der Theorie von der bonitas extrinseca des Geldes zum Ausdrucke der valor impositus, der dem Gelde von der Obrigkeit beigelegte Wert ist es, der es befähigt, zur Messung des Güterwertes zu dienen 34). Daraus ergab sich dann ohne weiteres das in Anlehnung an Aristoteles zur Begründung des Zinsenverbotes immer von neuem wiederholte Argument, dass das Geld unfruchtbar sei 35). Denn ein Gut, das bloss die Eigenschaft eines Masses hat, kann kein anderes Gut erzeugen und unterscheidet sich darin fundamental von den fruchttragenden Sachen. Seine Nützlichkeit ist erschöpft, wenn es für ein anderes Gut im Kaufe hingegeben wird; es erscheint daher unzulässig, den Gebrauch des Geldes von seinem Verbrauche zu trennen und für den ersteren einen besonderen Preis zu verlangen 36).

Allein die Tatsache, dass das Geld im Wechsel- und Kampsorengeschäfte auch selbst einen Gegenstand des Kaufes und Verkaufes bildete, musste dazu führen, jene ursprünglich so strenge Lehre zu mildern, die dem Gelde lediglich eine bonitas extrinseca zuschrieb; als sekundäre Eigenschaft wurde nun die Fähigkeit des Geldes anerkannt, selbst eine Ware zu sein.

34) Omnes aliae res ex seipsis habent aliquam utilitatem, pecuniae autem non, sed ex mensura utilitatis aliarum rerum. Unde accipere majorem pecuniam pro minori nihil aliud videtur quam diversificare mensuram in accipiendo et dando, quod manifeste iniquitatem continet". Thomas v. Aquino, Sentent. 3, dist. XXXVII q. 1.

35) Schon bei Aristoteles tritt die prinzipielle Scheidung des Geldes von den Waren mit aller Schärfe hervor: „Das Wucherhandwerk, so sagt er in seiner Politik, ist mit vollstem Rechte verhasst, weil von dem Gelde selbst der Erwerb gezogen und es nicht dazu gebraucht wird, wozu es erfunden ist. Denn es ward des Warenumsatzes wegen erfunden, der Zins aber vergrössert es.. Über den Einfluss dieser Aristotelischen Lehre auf die kanonistische Wirtschaftsdoktrin vgl. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins I (2. Aufl.) S. 22, und Rizzy, Über Zinstaxen und Wuchergesetze S. 50.

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36) Vgl. Endemann, Nationalökon. Grundsätze S. 39 fg. Böhm-Bawerk macht (a. a. O. S. 23) auf den „naturrechtlichen" Charakter dieses Beweisgrundes aufmerksam. Noch im 18. Jahrhundert stützte der französische Rechtslehrer Pothier seine Theorie auf einen ähnlichen Gedankengang. Vgl. Rizzy a. a. O. S. 53.

Damit war aber das Zugeständnis verbunden, dass dem Gelde eine bonitas intrinseca innewohne 37), dass das Geld, abgesehen von dem ihm aufgeprägten, noch einen anderen Wert habe.

Trotz dieser langsam vorbereiteten, Umbildung der alten scholastischen Geldlehre war es eine revolutionäre Entdeckung, als Bodin die seit dem Ende des Mittelalters immer deutlicher wahrnehmbare Preissteigerung auf die Vermehrung der Edelmetalle zurückführte und damit prinzipiell die alte Auffassung umstürzte, die in dem Gelde einen stabilen Wertmesser erblickte.

2. Kapitel.

Der engere Kollektivismus der beginnenden Neuzeit.

Der Kampf, den Kirche und Staat um die Weltherrschaft führen, endet im 14. Jahrhundert mit dem Niedergange der päpstlichen Macht, die zu Avignon ein Schattendasein führt. Die Kirche, dieser gewaltige Kollektivverband, der jahrhun-dertelang den Anspruch behauptet hatte, das ganze geistige, soziale und wirtschaftliche Leben seiner Glieder zu regeln und zu lenken, wird immer mehr auf die Domäne des Glaubens. verwiesen, und muss dem Staate die weltliche Herrschaft überlassen. Ist es ein Zufall, dass der Realismus in der Scholastik, der während der Blüteperiode des päpstlichen Zentralismus dieunbedingt anerkannte Doktrin gewesen war, nun dem Nominalismus weichen muss 1)? Das 14. Jahrhundert ist auch das Zeitalter Wilhelms von Occam, des siegreichen Verfechters. nominalistischer Ideen, die nach ihm von Buridan, Albertus

37) Vgl. Endemann, Studien II. S. 200 fg.

1) Auf diesen Zusammenhang macht schon Paul Janet aufmerksam (Hist. de la science politique I. p. 347 fg.), der auch die Bedeutung des Mystizismus für die Überwindung der scholastischen Theologie betont. Dass der Mystizismus mit seiner Berufung auf die innere Erfahrung ein ausgeprägt subjektives, individualistisches Element bedeutet, bedarf kaum einer näheren Darlegung. Vgl. übrigens auch K. Fischer, Einl. in der Gesch. der Philos. S. 63 und Karl Werner, Die nachscotistische Scholastik. Wien 1883 S. 4 fg.

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de Saxonia, Marsilius von Inghen, Oresmius, Peter von Ailly, Raymund von Sabunde und Gabriel Biel aufgenommen werden 2). Der Nominalismus bestreitet die Realität der Allgemeinbegriffe, die ihm als blosse Zeichen oder Worte erscheinen; der Begriff gilt ihm lediglich als conceptus mentis, significans univoce plura singularia. Wirklich existent sind für ihn nur die individuellen Dinge, die im Wege der Intuition erkannt und aus denen im Wege der Abstraktion - ohne Aktivität des Verstandes oder Willens die Allgemeinbegriffe gebildet werden. Aber auch von den Einzeldingen erhalten wir durch unsere Sinne keine sichere Erkenntnis, auch unsere Vorstellung von den Dingen der Aussenwelt ist nur ein Zeichen, ein terminus; es gibt keine unbedingte Übereinstimmung zwischen unserer Vorstellung und dem ihr entsprechenden Gegenstande. Insoweit ist dieser scholastische Nominalismus eine erkenntniskritische Lehre. Aber darüber hinausgehend zweifelt er auch an einer sicheren Erkenntnis unserer inneren Empfindungen und unserer Seele, an der Möglichkeit eines rationellen Beweises für das Dasein Gottes, an der Möglichkeit einer vernunftmässigen Begründung der Moralgesetze. So ergibt sich für ihn, will er die dogmatische Kirchenlehre nichtsdestoweniger aufrechthalten, die Notwendigkeit, die Befreiung des Glaubens vom Wissen um des reinen, unverfälschten Glaubens willen zu fordern 3).

Aber,,der Nominalismus“, so erklärt Lange *),,,war mehr als eine Schulmeinung wie jede andere. Er war im Grunde das skeptische Prinzip gegenüber der ganzen Autoritätssucht des Mittelalters; von den oppositionell gestimmten Franziskanern gepflegt), wandte er die Schärfe seiner analytischen Denkweise auch gegen das Gebäude der Hierarchie in der Kirchen

2) Vgl. Überweg-Heinze, Grundriss der Gesch. der Philosophie II. (8. Aufl.) S. 310.

3) Vgl. Überweg-Heinze a. a. O. S. 307 fg. und K. Fischer a. a. O. S. 72. 4) Lange, Gesch. des Materialismus I. (5. Aufl.) S. 179.

5) Über den interessanten Kampf des Franziskanergenerals Michael de Césène und seines Provinzialen Wilhelm von Occam mit Papst Johann XXII. vgl. Franck, Réformateurs et publicistes de l'Europe Moyen Âge p. 170 fg. und Janet, Hist. de la science politique I S. 502.

verfassung, wie er die Hierarchie der Begriffswelt stürzte". Indem er radikal das Wissen vom Glauben trennte, öffnete er der Philosophie den Weg einer Befreiung von den Fesseln des Glaubens und bahnt der weltlichen Macht den Weg zu einer Befreiung von der geistigen.

Seit dem Ende des Mittelalters werden unaufhaltsam die wirtschaftlichen wie die geistigen Grundlagen der kanonistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsauffassung zerstört. Die Erfindung der Buchdruckerkunst lässt das Wissen und damit den Geist der Kritik tief in die Kreise des Bürgertums eindringen; die Erfindung des Schiesspulvers bricht die Macht des Rittertums und damit die stärkste Stütze der Naturalwirtschaft; die Erfindung des Kompasses gibt die Möglichkeit, neue, ungekannte Seewege aufzusuchen und leitet das grosse Zeitalter der Entdeckungen ein. Mit der Auffindung der Silber- und Goldschätze Amerikas ergiesst sich ein Strom dieser Edelmetalle von Spanien her in die Länder Europas, eine bis dahin ungekannte Revolution aller Preise ist die Folge; es wird fast unmöglich, die alte Lehre vom justum pretium und von der Sündhaftigkeit des Zinsennehmens in der Praxis zu behaupten. Das Streben nach einem Anteil an diesem Goldbesitze wird allgemein; in dem Kampfe um diesen Besitz und um den Welthandel, der ihn vermittelt, wird den Völkern die Notwendigkeit einer Schaffung nationaler, wirtschaftlich wie politisch geeinigter Staatengebilde förmlich aufgezwungen. In dem Kampfe um den überseeischen Territorialbesitz wird dann die Macht dieser Nationalstaaten immer mehr gefestigt. Wie sie miteinander um den siegreichen Anteil am Welthandel ringen und alle ihre Kräfte diesem grossen Ziele zuwenden, müssen sie im Innern darauf bedacht sein, alle Elemente zu beseitigen, welche die politische und wirtschaftliche Einheit stören. Daher der Kampf des erstarkenden Territorialstaates gegen die Stände, die Städte und die Zünfte.

Die universalistisch-kollektivistische Denkweise, die im Mittelalter in dem Gedanken des kirchlichen Universalreichs gegipfelt hatte, erscheint nun in neuen, den Forderungen der neuen Zeit angepassten Formen. Denn der Staat bestreitet

nun der Kirche mit Erfolg jeden Anspruch auf weltliche Herrschaft und damit auf Beeinflussung des wirtschaftlichen und politischen Lebens. Der Begriff des der Gesamtheit Nützlichen, mithin Gerechten, der Massstab, an welchem die Handlungen des einzelnen gemessen werden, erfährt damit eine tiefgehende Umprägung. Die kirchliche Lehre mit ihren ausschliesslich auf das Jenseits gerichteten Gedanken hatte das Streben des einzelnen nach irdischer Macht und Wohlfahrt als sündhaft verdammt; nun tritt der Staat mit seinen Machtansprüchen an die Stelle der Kirche. Die Steigerung der produktiven Tätigkeit bedeutet eine Förderung seiner Interessen, weil sie ihm den Kampf gegen die anderen Staaten ermöglicht. Es ist nicht ein Kampf der Individuen gegen das Kollektivum, das die Zeit erfüllt, es ist ein Kampf der Kollektiva untereinander, und diese Tatsache muss der ganzen Soziallehre der Zeit das entscheidende Gepräge verleihen.

Die neuen Formen eines engeren Kollektivismus treten zunächst auf religiösem Gebiete mit aller Schärfe zutage. In der alten Lehre der Kirchenväter von der Erbsünde war der Gedanke der Gattungsschuld lebendig gewesen, die dem einzelnen in Verbindung mit der Lehre von der Prädestination die Möglichkeit verschloss, durch eigenes Tun die Seligkeit zu erlangen. Noch in der viel bekämpften Lehre vom Ablass waren universalistische Gedanken lebendig gewesen, denn jene Praxis, nach welcher die Sündenschuld des Menschen durch fromme Werke, durch Beichte und Busse, auch durch Geldbusse getilgt werden könne, erhält ihre dogmatische Begründung in einer eigentümlichen Substitutionsidee, die alles Tun der gläubigen Menschheit Gott gegenüber förmlich als Einheit auffasst:,,Da es im Schosse der Kirche so viele gibt, die mehr gebüsst als gesündigt haben, so darf es auch solche geben, die auf Konto der Heiligen mehr sündigen als büssen und die Differenz mit Geld decken. Schreibt man den Sündern die Mehrbusse der Heiligen gut, so fehlt selbst an ihrer Busse nichts.")

6) K. Fischer, Einl. in die Gesch. d. Philos. S. 126.

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