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ordnung kann nicht der ganze Ertrag verzehrt werden; also mufs, wenn nötig, durch Gesetze dafür gesorgt werden, dafs eine zur Reproduktion notwendige Quote zurückgelegt werde.

Man sieht also erstens, dafs das der Gesamtheit Nützliche als das Gerechte, durch die Gesetze zu Erzwingende gilt, zweitens, dafs die Naturordnung, das Naturgesetz zugleich physisch und sittlich ist. Es giebt eine dem Menschengeschlecht vorteilhafteste physische natürliche Ordnung,,l'ordre physique le plus avantageux au genre humain"; eng mit ihr verbunden ist eine sittliche Ordnung, ein natürliches Gesetz der Handlungen der Menschen, welches es ermöglicht, dafs die Naturgesetze dem Menschen den grössten Vorteil bringen können:,,on entend par loi morale la règle de toute action de l'ordre moral, conforme à l'ordre physique évidemment le plus avantageux au genre humain". Diese moralische Ordnung lässt sich mit dem Worte: Privateigentum (persönliches, bewegliches, unbewegliches), zusammenfassen; denn das richtig verstandene Privateigentum ist auch die Freiheit. Wo die sittliche Ordnung (Naturrecht) nicht herrscht, da kann sich auch die physische, möglichst vorteilhafte Naturordnung nicht entfalten. Wo kein Privateigentum, da keine Kultur; wo keine Kultur, da keine Erhaltung des Menschen und der menschlichen Gattung. Beide Arten von Naturgesetzen bilden zusammen das Naturgesetz:,,Ces lois forment ensemble ce qu'on appelle la loi naturelle" 2. Die verpflichtende Kraft dieser Gesetze liegt darin, dafs sie vom höchsten Wesen vorgeschrieben sind. Aus diesem Grunde sind sie auch die besten Gesetze. Welcher Wahnsinn, welches Verbrechen, wenn die positive Gesetzgebung das Naturgesetz nicht einfach erklärt!

So hat das Naturgesetz in dem physiokratischen System wiederum eine Hoheit und Bedeutung gewonnen, die es in dem Lehrgebäude der Stoiker besessen hatte. Die Stoiker wollen in Übereinstimmung mit der Natur leben, die Physiokraten der Natur zur Herrschaft in der menschlichen Gesellschaft verhelfen. Wiederum sind das sittliche Gesetz und das Naturgesetz in den engsten Zusammenhang gebracht, wiederum erscheinen beide nur als verschiedene Ausstrahlungen des Wesens des Schöpfers, wiederum tritt das Naturgesetz mit einer souveränen Geltung dem positiven Gesetze gegenüber, wiederum erfüllt es die Jünger mit Leidenschaft und Energie, die im 18. Jahrhundert nicht mehr durch die Verachtung der Dinge dieser Welt gemildert wird. Denn gerade auf sie ist ihr Gemüt gerichtet. Je mehr materielle Genüsse die Menschen sich verschaffen können, um so glücklicher sind sie, sagt Dupont de Nemours naiv. Der Reichtum hat bei ihnen einen materiellen Charakter, hebt Daire hervor. Dieses Materielle, Utilitarische der physiokratischen Lehre unterscheidet

1 Quesna y, Droit Naturel. Daire, Physiocrates I,
2 a. a. O.

p. 53.

sie wesentlich von der stoischen. Aber ein andere verbindet sie wieder mit ihnen. Mit aller Schärfe wird von ihnen der Gedanke ausgesprochen, dafs diese natürliche Ordnung auch die für alle Völker und Zeiten geltende ist. Il y a donc un ordre naturel, essentiel et général, qui renferme les lois constitutives et fondamentales de toutes les sociétés, sagt Dupont1. Daher seine Bekämpfung Montesquieus', der die Relativität der politischen Einrichtungen zu seinem Studium machte.

Aber wir haben die ganze Bedeutung der physiokratischen Lehre für unsere Wissenschaft noch nicht klargelegt. Wir haben unsere Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die sittliche Ordnung (Naturrecht) gerichtet, welche Quesnay für alle Zeiten und Völker hergestellt wissen wollte. Wir sahen aber, wie sich in seinem System unter die rechtliche Ordnung eine physische Ordnung schob 2, die natürlich ebenso unveränderlich ist wie jene. So wird Quesnay dazu geführt, physische Gesetze der menschlichen Gesellschaft, ewige theoretische Naturgesetze der Volkswirtschaft aufzustellen 3. Er wird der Begründer einer nationalökonomischen Theorie. Nicht als ob es vor Quesnay keine theoretischen Erkenntnisse in der Nationalökonomie gegeben hätte. Die Literaturgeschichte unserer Wissenschaft weist eine Fülle von wertvollen theoretischen Lehren über Geld, Bevölkerung, Wert, Preis, Ackerbau, Handel, Steuern vor Quesnay nach. Aber es waren Edelsteine, die ihren vollen Glanz erst zeigen konnten, wenn sie in eine, das Ganze des volkswirtschaftlichen Lebens umspannende Theorie gefafst wurden. Und eine solche, den Organismus der Volkswirtschaft darstellende und erklärende Theorie schuf Quesnay, und zwar aus theoretischen Bausteinen, die schon vor ihm bei Davenant, Locke, Mandeville,

1

a. a. O. p. 337.

2 Die neue Gestalt, welche das Naturrecht bei Quesnay annimmt, wird auch im 18. Jahrh. deutlich erkannt. So sagt Dupont de Nemours in seiner Notice abrégée des différents écrits modernes etc." (Oncken: Oeuvres économiques et philosophiques de François Quesnay p. 152): Les écrivains moraux et politiques ont fait souvent très-bien sentir la iustice de quelques-unes des lois naturelles qu'ils développaient; mais ils ont toujours été embarrassés pour trouver la sanction physique de ces mêmes lois. Mr. Quesnay a commencé par constater leur sanction physique et impérieuse, et elle l'a conduit à en reconnaître la justice. Ob sich dieses so verhält, kann dahingestellt bleiben: jedenfalls hat Dupont den charakteristischen Zug des Quesnay'schen Naturrechtes richtig erfafst.

3 Als Naturgesetze bezeichnet sie ausdrücklich Mercier de la Rivière. So heifst es Daire II, p. 467: „Dans le code physique nous trouvons trois lois immuables concernant la reproduction: la première porte que les avances de la culture, sans lesquelles il n'est point de reproductions, ne pourront être faites par les cultivateurs, qu'après les dèpenses à faire par les propriétaires fonciers; la seconde ordonne expressément que ces doubles avances ne cesseront jamais à se renouveler dans leur ordre essentiel, suivant que le cours naturel de la destruction l'exige, et ce sous peine de l'anéantissement des produits et de la société

u. s. W.

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Cantillon vorhanden waren. Er ist der Begründer einer organischen Auffassung der Volkswirtschaft.

Blicken wir auf die Ergebnisse unserer Untersuchung zurück, so fällt besonders die Thatsache auf, dafs im Schofse des Naturrechtes die systematische Wissenschaft der politischen Ökonomie in Frankreich herangereift ist. Wie das Kind das Leben der Mutter gelebt hat, so die politische Ökonomie dasjenige des Naturrechtes. Wie sich die allgemeinen psychologischen, ethischen, sociologischen Grundlagen des Naturrechtes gestalten, so diejenigen unserer Wissenschaft. Die wirtschaftspolitischen Grundsätze erscheinen nun mit der Würde naturrechtlicher Forderungen umkleidet. Die wirtschaftliche Freiheit erhält im System der Physiokraten den Charakter eines gottgewollten, unabänderlichen, für alle Zeiten und Völker bestimmten Naturgesetzes. Was zeitlich und örtlich zweckmäfsig war, das soll nun das für alle Zeiten und Völker Gerechte sein. Aber nicht blofs Grundsätze der Wirtschaftspolitik enthält die neue Wissenschaft, sondern auch theoretische Gesetze. Derartige Erkenntnisse finden wir in den Schriften nicht blofs der Nationalökonomen, sondern auch der Naturrechtslehrer vor Quesnay. Ihm ist aber das erste umfassende System der theoretischen Nationalökonomie gelungen, und er hat weniger aus der naturrechtlichen Quelle geschöpft, als Adam Smith, wie ich an einer andern Stelle zu zeigen hoffe. Denn diese Nachweisung würde nur in einem ganz aufsern Zusammenhange mit der Darstellung der allgemeinen philosophischen Grundlagen der politischen Ökonomie stehen.

3. Adam Smith.

Dagegen haben wir das Naturrecht dieses Mitbegründers unserer Wissenschaft zu betrachten. Hier türmt sich eine grofse Schwierigkeit vor uns auf. Adam Smith hat keine Darstellung des Naturrechtes hinterlassen. Wie kommen wir aber dazu, ihn

unter die Naturrechtslehrer einzureihen? Zunächst sprechen

äufsere Gründe dafür.

Die

Wir wissen, dafs Smith der zweite Nachfolger Hutchesons auf dem Lehrstuhl der Moralphilosophie in Glasgow war. schottische Moralphilosophie aber schlofs auch das Naturrecht ein. Zudem hat Millar, ein Schüler Smiths, dessen Biographen Dugald Stewart Nachrichten über die Vorlesungen seines Lehrers mitgeteilt, welche keinen Zweifel darüber lassen, dafs Smith das Naturrecht. vorgetragen habe. The second" (Vorlesung), schreibt er, comprehended Ethics strictly so called" In the third part", heifst es weiter,,,he treated at more length of that branch of morality which relates to justice, and which being susceptible of precise and accurate rules, is for that reason capable of a full and particular explanation 1" Auch diesen Teil seiner Vorlesungen, fährt

166

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1 Essays on Philosophical Subjects by the late Adam Smith. London 1795. p. XVII.

Millar fort, habe Smith veröffentlichen wollen, wie er am Ende der Theorie der moralischen Gefühle mitteile; aber sein Tod habe ihn daran verhindert. Dafs die Lehre von der Gerechtigkeit, welche mit der Ethik den weiteren Begriff der ,,morality" ausmacht, das Naturrecht, wie es Smith verstand, thatsächlich war, zeigt aufs deutlichste die von Millar erwähnte Schlufsstelle des moralphilosophischen Werkes. Smith setzt dort auseinander, dafs nur die Gebote der Gerechtigkeit bestimmt und genau seien, diejenigen aller andern Tugenden unbestimmt und ungenau; die Kasuistik müsse deshalb verworfen werden. Die zwei nützlichen Teile der Moralphilosophie wären also Ethik und Jurisprudenz. Jedes positive Rechtssystem dürfe man als einen mehr oder minder unvollkommenen Versuch zu einem System des natürlichen Rechtes (natural jurisprudence) betrachten, oder zu einer Aufzählung der besonderen Rechtsnormen. Bei dieser Lage der Dinge hätte man erwarten dürfen, dafs die Klagen der Juristen über die Unvollkommenheit der Gesetze der verschiedenen Länder zu einer Untersuchung darüber geführt hätten „what were the natural rules of justice independent of all positive institution".

Zeigen nun schon diese Ausführungen, dafs Adam Smith auf dem Boden des Naturrechts steht, so haben wir einige Zeilen weiter den Beweis, dafs er für das natürliche Recht den Anspruch erhebt, der Mafsstab des positiven Gesetzes zu sein, ein Anspruch, welchen in der neueren Zeit erst Locke und dessen Nachfolger mit aller Kraft gestellt hatten. Das System des Naturrechtes ,,or a theory of the general principles... ought to run through and be the foundation of the laws of all nations". Trotz der Dringlichkeit des Bedürfnisses scheine aber erst Grotius ein System des Naturrechtes entworfen zu haben. Das Werk sei unvollkommen, aber bis jetzt das vollkommenste Werk über diesen Gegenstand. Smith schliefst mit der Ankündigung, dafs er ein ähnliches Werk zu veröffentlichen beabsichtige.

Ich gehe nicht weiter auf den Inhalt des geplanten Buches ein, welchen er dort in grofsen Umrissen entwirft; es genügt mir, nachgewiesen zu haben, dafs Smith ein System des Naturrechtes vorgetragen hat, dafs er sich zu den naturrechtlichen Anschauungen bekennt und Lockes Ansichten von dem Verhältnis des natürlichen Rechtes zu dem positiven Rechte teilte. Die Verwandtschaft mit Locke wird im folgenden noch mehr hervortreten.

Den Inhalt von Smiths Naturrecht kennen wir nur unvollkommen. Es ist auch unmöglich, sein System völlig oder gröfstenteils zu rekonstruieren, während man mit leidlicher Vollständigkeit seine Vorlesung über die natürliche Theologie wieder aufbauen kann, wie ich an einer andern Stelle zu zeigen hoffe. Weder sein ethisches, noch sein nationalökonomisches Werk genügen hierzu. Das erstere giebt wohl die allgemeine ethische Grundlage seines Naturrechtes, aber natürlich nicht dessen Inhalt; in

dem letzteren vernehmen wir mit aller Entschiedenheit einzelne Forderungen des Naturrechts, aber nicht ihre Begründung noch ihren Zusammenhang. Der Inhalt der Untersuchung über den Reichtum der Völker ist nach der Erzählung des erwähnten Gewährsmannes die weitere Ausführung der vierten Vorlesung, welche Smith in Glasgow hielt; sie verhält sich zum Werke wie Grundrifs und Aufbau1. Sie bildet also einen Teil des Systems der Moralphilosophie, und aus diesem Grunde wird wahrscheinlich der Geist der Gesamtwissenschaft auch in ihr leben, die Principien der vorhergehenden Wissenschaften werden vielleicht von fern hereinklingen; aber ihr besonderes Princip ist die Zweckmässigkeit. In der modernen Staatswissenschaft waren die Principien des Gerechten und des Nützlichen nicht selten miteinander vermischt worden, und schon Grotius klagt Bodinus an, dafs er den Charakter der Politik nicht richtig erkannt habe, als zu welcher die Lehre vom Nützlichen gehöre, ,, weshalb auch Aristoteles sie für sich behandelt, um sie mit nichts Fremdartigem zu vermengen". Grotius behauptet zwar, er habe die Lehre vom Nützlichen aus dem Naturrecht ausgeschieden, gesteht aber zu, es an einzelnen Stellen mit erwähnt zu haben, ,,doch nur obenhin, um es von der Rechtsfrage zu unterscheiden" Ob Grotius so consequent war, wie er glaubte, brauchen wir nicht zu untersuchen. Auch hat die Vermengung der beiden Gebiete nach ihm nicht aufgehört; noch Bielfeld stellt seine Politik derjenigen der Naturrechtslehrer gegenüber 5. Erst Thomasius führt die Unterscheidung zwischen dem Sittlichen, dem Gerechten und dem Nützlichen scharf durch. Dies wurde schon früher erwähnt, auch des Einflusses gedacht, welchen die Vertreter der Staatsraison hierauf hatten. Vielleicht hat Smith von Thomasius' Vorgehen mehr Kenntnis gehabt, als wir wissen. So viel ich das zu beurteilen vermag, war er der erste, welcher diese drei Gebiete in der schottischen Moralphilosophie säuberlich sonderte. Und dafs er sie scharf geschieden habe, wird man aus den Worten Millars entnommen haben, der die „Ethics“ „strictly so

1 What he delivered on these subjects contained the substance of the work he afterwards published under the title of An Iuquiry into the Nature and causes of the wealth of Nations. A. a. O. p. XVIII.

2 In the last part of his lectures, he examined those political regulations which are founded not upon the principle of justice, but that of expediency, a. a. O.

3 Einleitung, 57.65 d. A. von Kirchmann.

4 Eine Entschuldigung hat er in seiner Meinung: „Aber dem natürlichen Rechte tritt auch der Nutzen hinzu; denn der Schöpfer wollte, dafs wir als einzelne schwach seien und zum rechten Leben vieles bedürfen, damit wir desto mehr zur Pflege der Geselligkeit angetrieben würden." Einl., 16.

5 Pufendorf, Grotius u. a. nennt er „auteurs célèbres qui ont parsemé leurs ouvrages de belles réflexions politiques et combiné de cette manière diverses sciences.

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